Freitag, 10. April 2009

Tiger Rubin

Eingestellt von Chap



(von Gert Pfundt)

Die Band fand sich Ende 1967, nachdem ich (b, voc, key) mit Klaus Gaisser (g, voc) als Resttruppe der Gruppe The Pipes das Personal um den nimmermüden Rhythmusgitarristen Stefan Blaich (g, b, voc) und den neuen Schlagzeuger Gerd „Scherzye“ Kobald (dr) bereichern konnte.



Vorbei die Zeiten, in denen wir für Auftritte die Bassdrum ausleihen mussten: man spielte SONOR-Drums. Vorbei die Zeiten, als die Pipes als Verstärker die alten Dampfradios aus den Wohnzimmern zweckentfremdeten. Jetzt wurde geklotzt: Klaus Gaisser, elektrotechnisch durchaus versiert, kaufte beim Electronic-Versand Dr. Böhm einige Kartons voller Einzelteile und zauberte daraus einen 120 Watt-Verstärker und zwei riesige Standboxen: Wir hatten unsere erste, fröhlich brummende PA! Stefan brachte einen Echolette BS 30 Bassverstärker nebst Box mit, und dieses gerade mal 30 Watt schwache Akustikpflänzchen gab mir die Vorlage, nun noch derber an den Basssaiten zu zerren als zuvor. Schließlich kam ein superber Fender Twin Reverb zum Einsatz, und damit waren wir richtig gut ausgerüstet. Die Gitarren und Bässe waren bevorzugt von Höfner, Aria, und später gab‘s für Klaus sogar eine Gibson Les Paul. Da der Keyborder aus den Pipes–Zeiten abgängig war, bekam ich durch den Erwerb einer ziemlich bissig klingenden Farfisa-Orgel (mit Knie-Wahwah) die Chance, mich an diesem Instrument einzuarbeiten. Stefan übernahm dann generös den Bass.

Das alles erweiterte das Spektrum unseres Repertoires enorm: Einige Perlen der Beatmusik wie „Death Of A Clown“ (Kinks), „Do It Again“ (Beach Boys), „My Friend Jack“ (Smoke) oder „Painter Man“ (Creation) blieben im Programm. Mit dem Örgelchen waren aber plötzlich ganz andere Nummern drin wie „Rock And Roll Music“ (Beatles), „Jingo“ (Santana), „A Whiter Shade Of Pale“ (Procol Harum) oder auch „Waiting for The Wind“ (Spooky Tooth). Gesanglich erweiterte die Kopfstimme von Stefan das Repertoire um Stücke wie „On The Road Again“ (Canned Heat). Schon damals wurden „Oldies“ gecovert wie z.B. „Telstar“ von den Tornados. Von einzelnen Sündenfällen wie „Sugar Sugar“ (The Archies) oder „96 Tears“ (Question Mark & The Mysterians) wollen wir nicht mehr reden.

Mit der Qualität des Equipments nahm auch die Lautstärke zu und wir wurden zum Proben nicht mehr in heimischen Wohnzimmern oder Fahrradkellern geduldet. Wir bestiegen das Karussell der Proberäume und logierten in allen möglichen Verschlägen und Sälen: Vom „Kalten Wasser“ führte uns unsere Proberaum-Odyssee über den Heizungskeller eines Kindergartens bis zu einem morbid aussehenden Kino- und Tanzsaal in Unterweißach mit angegliederter Metzgerei (in diesem Saal wurde mir auf den Hinterbänken mein erstes Groupie vorgestellt). Die Combo spielte immer rockigere Titel: „Sunshine Of Your Love“ (Cream), “Jumping Jack Flash” und “Honky Tonk Women” (Stones), “Smoke On The Water” (Deep Purple) und “Junior’s Wailing” (Steamhammer).

Als wir dann alle in die Tanzstunde gingen (Beat hin, Rock her), bekamen wir durch geschickte Verhandlungen bei der Anmeldung die Exklusiv-Auftrittsrechte beim Zwischenball der Tanzschule Bopp in Heilbronn. Das war schon ein Brikett: Voll verspiegelter Saal, professionelle Lightshow, und 500 kreischende Fans, die mangels Podest jederzeit und so oft sie wollten die Bühne entern konnten. – Wir haben es genossen. Eine Amateur-Rockband stand damals hoch im Kurs und das schlug sich manchmal auch in den Gagen nieder: Ein Diskothekenbetreiber aus Vaihingen, der uns wohl eher versehentlich gebucht hatte, durfte locker mal einen Transporter mit zwei Roadies, einen dicken Mercedes für den Transport der Künstler und zwei Groupies, ordentliche Verpflegung und schließlich 600,-DM Gage (damals das Monatseinkommen eines Arbeiters) raus tun, um seinen Laden von uns beschallen zu lassen.

Durchaus bescheidener ging es zu, wenn wir eigene Gigs veranstalteten. Für einen Auftritt in der Gaststätte Limpurg vor dem Beginn der Sommerferien 1969 wurde mit einem von Stefan handgemalten Plakat eindrucksvoll geworben: „AM FREITAG PLATZT DAS EUTER: TIGER RUBIN, ab 19:00 in der Limpurg, Eintritt 2 DM.“ In Verkennung des tatsächlichen Publikumszuspruches heuerten wir als Rausschmeißer den guten Rempfer an, einen herzensguten aber grimmig dreinblickenden Gewichtheber. Er wurde mit den erschienenen 25 Gästen spielend fertig.

Dieser Abend war der leise Anfang vom Ende der Band. Nicht weil sich die ersten Eigenkompositionen recht schauerlich anhörten, schon eher weil dies der erste Auftritt war, zu dem unser Drummer wegen zunehmender Drogenprobleme eine ganze Stunde zu spät kam. Das führte natürlich zu Spannungen in der Band, die sich 1970 beim Proben einer lausigen Nummer von Status Quo ("Down The Dustpipe") im Probekeller in einer kernigen Meinungsverschiedenheit mit Keilerei zwischen Rhythmusgitarre und Bass entluden. Keiner hatte angefangen und keiner wollte sich entschuldigen. So ging man nun getrennte Wege. Unser Schlagzeuger Scherzye gab seinen Kampf gegen die Drogen auf und starb am 19.10.1972. Der Versuch eines Band-Revivals 1973 mit den Gebrüdern Trah blieb schon nach den ersten Proben stecken. Mein lieber Freund Klaus erlag 2005 einem Krebsleiden. Unser Gitarrenmann Stefan lebt heute zurückgezogen von seinen ehemaligen Kameraden in einer Großstadt. Ich bin dabei geblieben, spielte und sang in zahllosen Bands und Solo-Nummern Blues, Underground, NDW, Heavy Metal und Swing. Ich bin mir ganz sicher: Rock and Roll will never die!

GertPfundt@aol.com

2 Kommentare:

Florian Janner hat gesagt…

Gaststätte Limpurg? Wo war/ist die denn? Hab ich noch nie von gehört.
Bei uns im Breschdleng-Proberaum steht auch noch eine garantiert antike und selbst zusammengeschraubte Dr. Böhm-Soundsystem-Orgel. Ach ja, falls jemand ne Heimorgel braucht, ich hätte da noch diverse hübscheStücke abzugeben..
Jedenfalls mal wieder vielen Dank für eine großartige Story :o)

Anonym hat gesagt…

Hallo Flo, bin wieder mal online. Die Limpurg ist da, wo heute Mario's Spaghettihaus ist (Aspacher Straße in BK).

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